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"Massagen tun jedem gut, aber nicht jeder braucht eine"


Informationsgespräch über Auswirkungen der Gesundheitsreform - Nachteile durch neues Gesetz für "Einzelgänger" möglich – Aber auch Vorteile erkannt

KREIS GIESSEN (bs). Zu einem Informationsgespräch über die Auswirkungen der Gesundheitsstrukturreform hatte in der Turnhalle Heuchelheim eine Arbeitsgemeinschaft der Heilmittelberufe eingeladen. Physiotherapeuten, Logopäden und Ergotherapeuten im Kreis Gießen hatten sich Anfang des Jahres zu dieser Gemeinschaft zusammengeschlossen.

Das neue Gesundheitsstrukturgesetz, das im Juli dieses Jahres in Kraft treten soll, verunsichere viele Ärzte in ihrem Verordnungsverhalten, so der Krankengymnast H. Ulmer. So soll zum Beispiel das Arznei- und Heilmittelbudget bis Ende des Jahres für gewisse Leistungen ersetzt werden, die Richtgrößen dafür seien aber noch nicht bekannt. Zwar müßten die Patienten auch eine gewisse Eigenverantwortung übernehmen, so Ulmer, aber immer weitere und höhere Zuzahlungen seien diesen nicht mehr zumutbar, zumal von weiteren Beitragssatzerhöhungen seitens der Krankenkassen ausgegangen werden müsse.

Allerdings erscheine das neue sogenannte ,, Partnerschaftsmodell" recht sinnvoll, da danach eine Vereinbarung von Rahmenempfehlungen möglich sei. So könnten unter anderem der Inhalt und die Häufigkeit der Anwendung von Heilmitteln zwischen den Ärzten und den Heilmittelerbringern abgesprochen werden. Insgesamt aber sei alles noch etwas unklar, so Ulmer.

 

Das fehlende Geld

Für das fehlende Geld bei den Krankenkassen gebe es zwar keine Patentlösung, so H. Hamp von der DAK. Es sei aber notwendig, daß die Probleme im Gesundheitswesen angegangen werden. Dies sei nämlich noch nicht geschehen, da ein Konsens zwischen der Koalition und der Opposition nicht möglich sei.

Durch das neue Partnerschaftsmodell, die sogenannten "vernetzten Arztpraxen", sei mit einer verbesserten Kommunikation unter den Ärzten zu rechnen, wodurch unnötige Untersuchungen nicht mehr wiederholt würden, so Dr. Magnus von der Kassenärztlichen Vereinigung. Auch erhoffe man sich von diesem Modell eine bessere Zusammenarbeit zwischen Ärzten und "Heilmittelberuflern", was zu einer qualitativen Verbesserung der Versorgung der Patienten führen werde. Dadurch könne sparend und erfolgreich weiterbehandelt und herausgefunden werden, welche Behandlung für welchen Patienten wirklich erforderlich ist. Nachteile durch das neue Gesetz hätten daher lediglich "Einzelgänger", die nicht zur Kooperation bereit seien, so Dr. Magnus.

 

Privatisierung im Blick

Das Ziel des neuen Gesetzes sei aber doch die Privatisierung des Gesundheitswesens mit der Folge, daß nur noch- eine medizinische Grundversorgung möglich sein wird, so H. Lindemeier vom DGB. Die Krankenkassen würden- nämlich nur noch die Kosten übernehmen, die von der Kassenärztlichen Vereinigung vorgeschrieben sind. So sei unter anderem nach dem neuen Gesetz festgelegt, daß sich die Zuzahlungen im Heilmittelbereich, zum Beispiel für Massagen, von zehn auf 15 Prozent erhöhen werden. Auch Rezepte sollen um fünf Mark teurer werden, so Lindemeier.

Ferner würden durch das Gesetz die Kranken, die zuzahlen müßten, benachteiligt und die Gesunden dadurch bevorzugt, daß sie am Ende des Jahres ihre Krankenkassenbeiträge zurückbekommen sollen. Eine Solidarität der Krankenkassen sei damit nicht mehr gegeben. Auch bedeute die geplante Senkung der Kassenmitgliederbeiträge auf zwölf Prozent, daß die Patienten in verschiedenen anderen Bereichen wieder mehr draufzahlen müssen, so Lindemeier. H. Stark von der AOK hingegen merkte an, daß man mit dem zugeteilten Budget im Gesundheitswesen auskommen könne und die notwendige medizinische Versorgung weiterhin gewährleistet bleibe. Er wisse zwar, daß Massagen bestimmt jedem gut täten, was aber nicht bedeute, daß diese auch für jeden medizinisch erforderlich seien.


Quelle: Mai '97, Arbeitsgemeinschaft der Heilmittelberufe