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Forum am Mittwoch in Heuchelheim

»Lage bei den HeiIImitteIberufen spitzt sich zu«


Krankengymnasten, Ergotherapeuthen, Logopäden und Masseure diskutierten mit Ärzten und Krankenkassen-Sprechern

Heuchelheim (mar). Die Lage bei den Heilmittelberufen spitzt sich zu. Existenzangst greift um sich. Sie war sicher auch die Motivation, das Informationsgespräch am Mittwoch abend in der Heuchelheimer Turnhalle zu initiieren, zu dem die Arbeitsgemeinschaft der Heilmittelberufe von Stadt und Landkreis Gießen eingeladen hatte. Auf der Tagesordnung standen Fragen zur Budgetierung, den Zuzahlungsmodalitäten und dem Partnerschaftsmodell. In diesem Zusammenhang sollte auch ein BIick auf die Art und Weise zukünftiger Zusammenarbeit zwischen Vertretern der Heilmittelberufe, also den Krankengymnasten, Ergotherapeuten, Logopäden und Masseuren mit Ärzten und Krankenkassen geworfen werden.

Zablreiche Berufskollegen waren gekommen. Von den insgesarnt 150 angeschriebenen Ärzten wurden aber nur drei gesichtet, für Logopädin Susanne Müller ein Indiz oder doch zumindest ein Hinweis auf das schwachausgeprägte Bedürfnis war das Wort, das an diesem Abend von Ihren Mitstreitern auf dem Podium oft in den Mund genommen wurde.

Dazu gehörten Wolfgang Stark als Vertreter der AOK, Rainer Hamp (DAK), Dr. Joachim Magnus von der Kassenärztlichen Vereinigung, DGB-Kreisvorsitzender Bernd Lindemeier, Masseurin Sabine Junkel, Ergotherapeutin Susanne Hein, und Krankengymnast Frank Ulmer. Ulmer bedauerte, daß kein Bundestagsabgeordneter der Einladung gefolgt sei; man habe von allen Parteien Absagen aus Termingründen erhalten.

Auch Frank Ulmer hält es für sinnvoll, daß Patienten Eigenverantwortung übernehmen, doch mit der bisherigen Zuzahlungshöhe von zehn Prozent sei sie ausreichend angesprochen worden, eine Erhöhung auf 15 Prozent sei unzumutbar. Besonders betroffen, seien die chronisch Kranken oder Dauerpatienten nach Schlaganfall oder Krebsoperationen, die heute bei zehn Massagen oder Lymphdrainagen 33 Mark zuzahlen müssen und künftig wohl mit 50 Mark rechnen müssen, wie Sabine Junkel erläuterte.

Bernd Lindemeier hat hauptsächlich dieser >>scheibchenweisen Veränderungen<< die Befürchtung, daß auch notwendige Leistungen in Gefahr seien: >>Die Leute könnten kaum die Miete bezahlen und dann so was.<< Von daher erfoIgte ihm an diesem Abend die Auseinandersetzung mit den Auswirkungen der Gesundheitsreform vorschnell, es müsse auch potitisch diskutiert werden und Möglichkeiten zu Änderungen ins Auge gefaßt werden. Denn das Ende der Fahnenstange sei noch nicht erreicht, die Privatisierung des Gesundheitswesens sei das erklärte Ziel dieser Politik und ob nicht der gesamte Heilmittelbereich aus einer wohl angestrebten Grundversorgung ganz rausfalle, das schien für Lindemeier nicht unwahrscheinlich.

Dr. Magnus beschäftigte sich seit einigen Monaten mit dem Partnerschaftsmodell und ist Mitinitiator des Ärztenetzes in Gießen. Ziel der vernetzten Praxen sei die Verbesserung der Kommunikation unter den Ärzten selbst, die Vemeidung unnötiger Untersuchungen, kostengünstige Arbeit für den Patienten und sinnvolle Diagnostik schnell einzusetzen. Eine Kooperationsverbesserung müsse angestrebt werden, um gemeinsame Lösungen zu finden.

Auch Wolfgang Stark sieht in der Kooperation einen sinnvollen und vernünftigen Weg. Er macht jedoch deutlich, daß nicht allen Verordnungswünschen von Patienten nachgegeben werden könne. Ob die Richtgrößen, durch die die Budgets bei den Ärzten ersetzt werden sollen, etwas verändern oder die Wirkungen identisch seien, müsse man abwarten, zumindest seien sie kritisch zu sehen.

Der Ansatz des Partnerschaftsmodells ist für Rainer Hamp erfreulich, er sieht in einem mehr an Miteinander Möglichkeiten, um kostengünstiger finanzieren zu können. Der Verdacht drängt sich auf, daß der Kranke zu bezahlen habe und der Gesunde privilegiert werde, zum Beispiel durch die Beitragsrückerstattung. Sein Appell an die Vertreter der Heilmittelberufe war ganz klar: Sie sollten sich nicht ausklinken und sich damit ins Abseits stellen, sondern mithelfen.

Beiträge ganz unterschiedlicher Art kamen aus den Reihen der Zuhörer: Es wurde deutlich, das der Bedarf an Heilmittelberufen vorhanden ist, daß Zweifel an einer gleichwertigen Partnerschaft von Seiten der Heilmittelberufler bestehen, daß Fragen der Wirtschaftlichkeit sehr in den Vordergrund gedrängt würden, ohne zu berücksichtigen, daß ein mehr an Heilmitten durchaus auch wirtschaftlich sei, daß die Bedeutung der Heilmittelberufe auch eine soziale sei, doch daß diese unterschiedlichen Aspekte offensichtlich niemanden in der Politik interessiere.


Quelle: Mai '97, erhalten von der Arbeitsgemeinschaft der Heilmittelberufe von Stadt und Landkreis Gießen