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Quelle: Deutsche Hebammen-Zeitschrift 1/92


Endgültig entschieden:

Einschaltung einer Verrechnungsstelle bedarf der ausdrücklichen (schriftlichen) Einwilligung des Patienten

Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10. 7. 1991 - VIII ZR 296/90

Anläßlich der Einschaltung einer zahnärztlichen Verrechnungsstelle hat der Bundesgerichtshof in letzter Instanz entschieden:

Unter Berufung auf die strafrechtliche Literatur und Rechtsprechung meinte der Kläger (ein Zahnarzt), ein Privatpatient erkläre sich jedenfalls stillschweigend damit einverstanden, daß der behandelnde Arzt seine Leistungen über eine selbständige Abrechnungsstelle abrechnen und einziehen lasse, sofern er dem nicht bei Beginn der Behandlung ausdrücklich widerspreche. Angesichts der Arbeitsteilung in heutigen Arztpraxen und der allgemein bekannten Existenz privatärztlicher Verrechnungsstellen müssen ein Privatpatient bei jedem konsultierten Arzt grundsätzlich mit der Weitergabe der Behandlungsdaten an eine Verrechnungsstelle zum Zweck der Honorarabrechnung rechnen. Falls er damit nicht einverstanden sei, müsse er dies ausdrücklich zu erkennen geben. Diese Auffassung teilt der Bundesgerichtshof nicht:

Im Hinblick auf die ärztliche Schweigepflicht obliegt es dem Arzt, die Zustimmung des Patienten in eindeutiger und unmißverständlicher Weise einzuholen. Es ist grundsätzlich nicht Sache des Patienten, der Weitergabe seiner Daten zu widersprechen, um den Eindruck des stillschweigenden Einverständnisses zu vermeiden.

Von einer zur Verkehrssitte erstarkten Üblichkeit kann keine Rede sein. Zwar ist die Existenz berufsständischer privatärztlicher Verrechnungsstellen unter Privatpatienten heute wohl allgemein bekannt. Das bedeutet aber nicht, daß der Patient ohne weiteres davon ausgehen muß, der Arzt, den er zur Behandlung aufsucht, lasse sein Honorar durch eine solche Stelle abrechnen und einziehen.

Die häufig über intimste Dinge des Patienten genaue Auskunft gebenden Abrechnungsunterlagen verdienen einen besonders wirksamen Schutz. Dieser ist grundsätzlich nur gewährleistet, wenn die Honorarabrechnung in einem von vornherein und sicher für den Patienten überschaubaren Bereich erfolgt; das ist in aller Regel allein die Praxis des behandelnden Arztes einschließlich der für die Abrechnung zuständigen Mitarbeiter. Jedes Überschreiten der Grenzen dieses Bereichs stellt ein Offenbaren des dem Arzt anvertrauten Patientengeheimnisses dar, wobei es ohne Bedeutung ist, ob der Mitteilungsempfänger seinerseits - etwa als Arzt oder privatärztliche Verrechnungsstelle - der Schweigepflicht unterliegt.

Sonstige Gründe, die das Offenbaren eines Patientengeheimnisses rechtfertigen könnten, liegen im vorliegenden Fall ebenfalls nicht vor. Anders als bei der gerichtlichen Geltendmachung, die als letztes Mittel zur Durchsetzung einer Honorarforderung erlaubt ist, ist die Weitergabe von Behandlungsdaten an einen Dritten zum Zweck der Rechnungserstellung nicht zwingend erforderlich. Vielmehr erleichtert der Einsatz elektronischer Datenverarbeitung die Honorarabrechnung in der ärztlichen Praxis erheblich. Soweit ein Arzt von der Möglichkeit externer Abrechnung Gebrauch macht, erfolgt dies unter dem Gesichtspunkt einer Kosten-Nutzen-Analyse. Solche wirtschaftlichen Erwägungen, von denen die Durchsetzung des Honoraranspruchs nicht abhängt, vermögen aber die Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht unter keinen Umständen zu rechtfertigen.

War die Weitergabe der Abrechnungsunterlagen mithin schon wegen Fehlens einer mündlichen oder stillschweigend erklärten Einwilligung der Patienten unzulässig, kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht mehr darauf an, ob nicht nach § 4 Absatz 2 Satz 2 Bundesdatenschutzgesetz sogar eine schriftliche Zustimmung erforderlich gewesen wäre.

Anmerkung: Da im vorliegenden Fall überhaupt keine Einwilligung der Patienten in die Weitergabe ihrer Daten an eine Verrechnungsstelle vorlag, hat der Bundesgerichtshof keinen Anlaß gesehen, der Frage nachzugehen, ob eine schriftliche Einwilligung erforderlich gewesen wäre. Im Hinblick auf die Vorschrift des Bundesdatenschutzgesetzes ist eine solche schriftliche Einwilligung unbedingt zu empfehlen. Die Weitergabe der Daten ohne ausdrückliche Einwilligung ist auf jeden Fall strafbar. Dies steht nach den unterschiedlichen Rechtsprechungen der Instanzgerichte nunmehr höchstrichterlich und endgültig fest.

Dr. H. Horschitz